Schwarzes Gold der Industrie

Mittwoch, den 19. März 2014 um 11:21 Uhr Arnim v. Elverfeldt
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Ribisel, Schwarzes Gold für die Industrie


Johannisbeeren , eine voll mechanisierbare Obstkultur

 

Fast 200.000 Tonnen Weltjahresproduktion weist die Statistik des Internationalen Verbandes auf. Wo sind die geblieben ?

Der überwiegende Teil der Rohware findet seinen Weg in Flaschen und Tetrapaks , also Getränke aller Art. Dazu zählen Nektare Sirup Limonaden Fruchtwein Schorle oder Liköre.

 

Marktstrukturen

Wenn Ende Juni die Ernte beginnt , sind alle Beteiligten gespannt auf die diesjährige Preisrunde. Es gibt in geringem Umfang verabredete Preise zwischen Erzeuger und Abnehmer (Vertragsanbau) aber der grösste Teil wird jedes Jahr neu verhandelt. Die Einkäufer der Industrie haben den Auftrag und festen Vorsatz auf keinen Fall teurer als die Kollegen der Konkurrenz einzukaufen. Leider werden die immer weniger , weil die Anzahl der Rohware verarbeitenden Betriebe abnimmt und nicht mehr jedes Werk eigene Einkäufer hat. Im Ergebnis schwanken die Preise stark , mal gibt es 0,5 mal 1,5 €/kg. Dreh und Angelpunkt der Preisbildung ist das Angebot polnischer Ware , weil von dort die größten Mengen kommen. Erntefrische Johannisbeeren für die Industrie werden gemaischt oder rollend angeboten , in jedem Fall ist das Produkt gärfähig und muß daher gekühlt oder schnell verarbeitet werden.

Die Früchte werden zu lagerfähigen Halbwaren verarbeitet , Konzentrat , Muttersaft etc. und später an Geteränkehersteller verkauft , wofür es wieder einen eigenen Konzentratpreis gibt. Auch dieser Preis bildet sich durch die bekannten Marktmechanismen , und ist für die Abfüller von großer Bedeutung.

Die zahlreichen anderen Verwendungen sind das Betätigungsfeld für Spezialisten , und fallen mengenmäßig , was den Absatz betrifft kaum ins Gewicht.

Zu Pulver vermahlen kann man sie aufs Müsli streuen , in den Teig mischen oder andere Speisen aufpeppen. Leider ist dieses Produkt relativ teuer, da muß man schon ein paar Euro für ein Tütchen hinlegen.

In Asien gibt es Nachfrage nach Gesundheitspulvern in kleinen Plastikdosen gegen Erkältungen etc.

Einige neuseeländische Betriebe haben sich darauf spezialisiert diesen Markt zu beliefern.

Andere Firmen verarbeiten Johannisbeeren zu Medizinprodukten , Farbstoffen für die Lebensmittelindustrie oder Parfümbestandteilen .

Manche Johannisbeeranbauer verkaufen auch eigene Produkte über Hofläden oder die Regale des örtlichen Lebensmittelhandels. Die reichen dann von der Praline über den Sekt zum Essig oder Senf.

 

 

Bio

Bio Ware ist knapp und daher gesucht.

Wenn ein Verbraucher einen Bio Artikel in den Einkaufswagen legt , kauft er nicht nur das Produkt mit seinen Eigenschaften. Er ist auch bereit , Geld für ein Gefühl auszugeben , nämlich den Gedanken etwas Gutes getan zu haben. Den Mehrpreis betrachtet er als seinen Beitrag um die Welt ein kleines Stück zu reparieren.

Für die Emotion beim Einkauf muß bezahlt werden , das gilt auch für Waschmittel oder Achtzylinder und ist völlig unabhängig von den Mehrkosten die ein Bio Produkt verursacht.

Fest in die Vorstellungswelt des Bio Kunden gehört auch der Gedanke des Gleichgewichts in der Natur. Wenn Läuse kommen , werden sich die Marienkäfer schon einfinden. Jeder Obstbauer weiß , dass dies nur eine Teilwahrheit ist. Schädlinge können erhebliche Kulturschäden bis zum Totalverlust verursachen .

Dazu kommt noch der im Vergleich zur konventionellen Erzeugung , geringere Ertrag.

Für den Bio Erzeuger hängt die Latte ein Stück höher , dafür muß der Hebel bei der Preisverhandlung entscheidend länger sein. In Deutschland liegt der Anteil der Bio Flächen unter 10 % . Bei der bestehenden Nachfrage wird sich dieser Anteil in den nächsten Jahren erhöhen.

„Bio’s“ kleine Schwester heißt übrigens „aus der Region“ . Im Supermarkt findet sich Johannisbeernektar mit dem Aufdruck „aus heimischen Früchten“ , Mehrpreis 0,15 €/l .

 

Gentechnik

Umfragen haben gezeigt , dass die Mehrheit der Verbraucher „keine Gene im Lebensmittel“ haben will. Teilweise reagiert die Industrie darauf , und verlangt vom Erzeuger keine gentechnisch veränderten Pflanzen anzubauen. Da es solche Johannisbeeren auf dem Markt noch nicht gibt , ist hier die Erfüllung des Kundenwunsches besonders leicht.

 

 

Marktlage

In Deutschland wird die Hälfte des Fruchtsaftes beim Discounter verkauft , wobei die Absatzzahlen stagnieren oder zurückgehen . Die Konkurrenz unter den Getränken ist groß. Die Jungen kaufen Limo mit Aufputschmittel , die Alten lieber Beruhigungstee. In der Mitte ist das alkoholfreie Bier im Absatz stark gestiegen. Red Bull hat letzt den Verkauf der 2,5 milliardsten Dose gefeiert , leider kann die Landwirtschaft (außer Zucker) nicht viel zu dem Getränk beitragen. Zum Glück gibt es allerdings auch andere energy drinks mit Johannisbeere !

In den letzten 3 Jahren ist der Industriewarenpreis zum Ende der Erntesaison stets gefallen , es war also genug Ware am Markt. Die Jahre mit guten Preisen erklären sich meistens durch Frost und widrige Umstände für die Johannisbeeranbauer in Polen.

 

Durch die großen Angebotsmengen der letzten Jahre ist die Verarbeitungsindustrie heute weniger als früher gewillt Anbauverträge abzuschließen. Solche Verträge können für die Anbauentscheidung bedeutsam sein. Wegen der Unterversorgung des Marktes wird es im Bio Bereich leichter sein eine Anbauvereinbarung zu treffen. Ideal ist es aus der Sicht des Anbauers , wenn man eine nach Erntemenge gestaffelte Preisvereinbarung treffen kann . Dadurch beteiligt sich der Abnehmer am Anbaurisiko. Im Gegenzug dazu ist die Produktion besser planbar.

Leider bleibt am Ende jeder Saison immer ein Gewinner und ein Verlierer übrig. Da ist es tröstlich zu wissen , dass das Geschäft am freien Markt auch nicht immer schmerzfrei ist.

 

Gesundheitswert

Die Johannisbeere ist gesund und gehört ernährungsphysiologisch zu den wertvollsten Beerenfrüchten. Wegen des hohen Vitamin C Gehalts wurde der Saft in England während des Krieges umsonst an Kinder abgegeben. Später ist daraus die Saftmarke „ Ribena“ geworden , die es heute noch gibt. Allerdings ist der Gesundheitswert nicht für alle Kunden interessant. Zudem

wacht die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA über die Gesundheitsaussagen auf den Getränkeverpackungen. Ältere Menschen bekämpfen normale altersbedingte Beschwerden mit allerlei Tabletten und Nahrungsergänzungsmitteln die oft pflanzlicher Herkunft sind. Darunter auch Johannisbeerprodukte. Dieser Markt wächst zwar , aber viel Rohware wird da nicht gebraucht.

 

 

 

Anbauen ?

Nicht im Sumpf , nicht im Sand und auch nicht am Hang.

 

Die Anbauentscheidung sollte gut überlegt werden. Vorher muß klar sein wer die Ernte kaufen wird.

Der Johannisbeeranbau ist fast komplett mechanisierbar . Daher wird er sowohl von Ackerbauern betrieben , die eine intensivere Kultur suchen , als auch von Obstbaubetrieben die extensivieren wollen.

Wenn die Entscheidung gefallen ist , muß gutes Pflanzgut beschafft werden. Üblicherweise einjährige bewurzelte Steckhölzer mit mehreren Trieben und höher als 60cm. Baumschulen liefern unter besseren Konditionen wenn man heute schon fürs nächste Jahr bestellt. Die züchterische Arbeit findet praktisch nur noch in Schottland und Polen statt. Für die Sortenentscheidung muß man mit anderen Erzeugern ins Gespräch kommen.

Die ersten zwei Standjahre sollten genutzt werden um einen starken hohen vieltriebigen Strauch zu erzeugen , an dem im 3. Jahr reichlich Rispen ihren Platz finden. Dazu braucht man viel Wasser und reichlich Nährstoffe. Bei den kleinen Pflanzen und einem Reihenabstand von 3 bis 4 Metern braucht man nicht viel Wasser für den Tropfschlauch pro Ha. Früchte die tiefer als 25 cm hängen werden von der Maschine nicht geerntet.

Die erste Gelegenheit richtig zu scheitern ist üblicherweise das Zulassen der Vergrasung zwischen den Pflanzen. Gute Hacktechnik steht zur Verfügung und hat , im Vergleich zur Herbizidbehandlung noch den Vorteil der besseren Wasserhaltung.

 

Zu einer gepflegten Anlage gehört ein sauberer Mittelstreifen der eine feste und ebene Fahrbahn für den Schlepper bildet. Dazu braucht man ein Untergras . Wenn man eine Selbstbegrünung zulässt , kann man kaum mulchen ohne keimfähiges Material in die Reihen zu befördern.

Für die ersten Ernten braucht man nicht unbedingt eine eigene Maschine. Manche Erzeugerorganisationen haben eigene Maschinen. Dazu kommt die Stellung von Behältern , Kühlung Verkauf Logistik usw. Der Beitrag der Genossenschaften wir oft zu gering geschätzt.

 

In der Statistik ernten Sie 6 bis 8 Tonnen/ha , wobei die Preise so schwanken wie die Erträge.

Nach 10 bis 15 Jahren findet man immer mehr Hartnäckiges , Verholzung , Vermoosung, Schädlinge die sich aufbauen usw.

Wen man das erstemal an eine Folgekultur denkt , sollte man sich bald für die Abschiedsfahrt mit der Rodefräse entscheiden !

 

Aussichten

In den letzten Jahren war die Erzeugung von Ribiseln für die Industrie gerade kostendeckend.

Für eine gedeihliche Zukunft brauchen wir neue Märkte , neue Produkte und eine bessere Vermarktung.

In China oder den USA gibt es kaum Johannisbeerprodukte. Wie man die am Markt einführen kann , haben wir mit den Cranberrys gesehen.

Neue Produkte haben es am Markt nicht leicht , es geht aber , wie man bei den Energy drinks sehen kann. Hauptsache es sind Ribiseln drin.

Die Vermarktung muß mit der Zeit gehen und dem Produkt ein Gesicht und eine Geschichte geben. Dazu gehört die Regionalität , eventuell Bio , der lokale Verarbeiter oder die Eigenmarke.

Die Unterscheidbarkeit ist das Kriterium.

Zuletzt aktualisiert am Mittwoch, den 19. März 2014 um 12:05 Uhr